Dienstag, der 27., war einer der kältesten Tage im Februar dieses Jahres. Aber das hat die rd. 50 Interessenten nicht davon abgehalten, noch einmal der profanierten Kirche St. Johannes in Herten-Bertlich einen Besuch abzustatten. Auf Einladung der Initiative STADT.KUNST hatte der Investor Eckhard Klein, dem das Gebäude inzwischen gehört, die Türen noch einmal geöffnet, um den Besuchern einen bewundernden und ausgiebigen Blick auf das beeindruckende Apsis-Mosaik zu ermöglichen und um seine Pläne für den Umbau des Gebäudes und den Erhalt des Mosaiks zu erläutern. Denn immerhin handelt es sich bei dem Mosaik mit dem umfänglichen Namen „Selig, die zum Hochzeitsmahle des Lammes geladen sind“ um das – vermutlich – größte Kirchenmosaik nördlich der Alpen, entstanden nach Entwürfen der Ordensschwester und Kirchenkünstlerin Erentrud Trost.
Mit Heizstrahlern und warmen Getränken hatte Eckhard Klein einen fürsorglichen Beitrag geleistet, damit die Besucher den Wintertemperaturen in der ungenutzten Kirche besser trotzen und sich auf die interessanten Informationen konzentrieren konnten. Die gab es zunächst von ihm und dem beauftragten Architekten Dr. Hermann Klapheck zum Umbau der Kirche zu einem Wohngebäude mit 18 Wohnungen und zur Sicherung des Mosaiks im neuen Treppenhaus. Auch hierzu hatte Eckhard Klein sich auf die Besucher eingestellt und informative Pläne aufgehängt. Durch die Erläuterungen wurde die Absicht deutlich, wie altes, Identität Stiftendes mit neuer Nutzung verbunden werden und so ein lobenswerter Beitrag zur Sicherung eines bedeutenden Kulturgutes geleistet werden soll.
Danach galt die Aufmerksamkeit ganz dem Apsis-Mosaik. Gregor Spohr und Wolfgang Seidel trugen zunächst zusammen, was ihnen aus verschiedenen Quellen über die Entstehungsgeschichte und kirchenkünstlerische Bedeutung bekannt war. Zahlreiche Hinweise von Besuchern, von denen einige Materialien und Quellentexte mitgebracht hatten und die sich z.T. persönlich an die Anbringung des Mosaiks erinnerten, ergänzten die Information über das ungewöhnliche Kunstwerk in spannender Weise.
Die folgende Bilderstrecke enthält Aufnahmen von Rainer Lange, Gregor Spohr und Wolfgang Seidel.
Der nachfolgende Artikel fasst – unter Hinweis auf die Quellen – zusammen, was an diesem Abend über das Mosaik in Erfahrung zu bringen war. Alle Leser sind herzlich aufgerufen, weitere Hinweise aus ihrem Wissen einzubringen.
Das Apsis-Mosaik in der ehem. St. Johannes-Kirche
Das prächtige Mosaik „Selig, die zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen sind“ bedeckt die gesamte Wandfläche der halbrunden mit einer Halbkuppel abgeschlossenen Apsis (Konche) in der ehem. Kirche St. Johannes in Herten-Bertlich. Mit 130 qm gilt es als das größte Kirchenmosaik nördlich der Alpen und zeigt in mehreren figürlichen Szenen das Himmlische Jerusalem.
Nach einer Reise von Gemeindemitgliedern der Kirche nach Ravenna festigt sich der Plan, die Apsis zu gestalten. 1963 wird die Ordensschwester und Kirchenkünstlerin Erentrud Trost aus der Benediktinerabtei Varensell bei Gütersloh beauftragt, ein Mosaik zu entwerfen.
„Das Thema der Darstellung wurde der Apokalyse des Johannes entnommen: „Beati, qui ad cenam nuptiarum agni vocati sunt“. Der Entwurf orientiert sich jedoch keineswegs an italienische oder andere Vorbilder, sondern bietet neues: Die ausgestreckte Hand als eigentlicher Zugang in die Stadt ist einzigartig. Auch die gebogene Staffelung der Wandpartien mit elf Toren ist ein Einfall der Nonne. Schließlich ist auch die Kombination von Himmlischen Jerusalem oben und Abendmahlszene unten einleuchtend, aber ohne Vorbild“ (1).
Das Geld für das Rohmaterial dieses Mosaiks wird durch eine Kollekte der Bergmannsfamilien in Bertlich in Höhe von 40.000 DM eingebracht.
Zur Ausführung der Arbeiten im Jahr 1964 heißt es in einer der Quellen: „Bis zum Jahresende war der Entwurf fertiggestellt. Unmittelbar danach wurde ein Gerüst aufgestellt, damit die Rundung maßgerecht gezeichnet werden konnte, und im Juni begannen Benediktinerinnen, das Mosaik zu setzen. Die Steine wurden auf Platten geklebt und nummeriert“ (2). „Die einzelnen Steine sind mit ihrer zumeist querrechteckigen Form und ihrer Größe von durchschnittlich 5×3 cm sehr viel größer als klassische Mosaike“ (3). „Über 1.075 Platten waren in Varensell entstanden und wurden dann von den Nonnen Erentrud, Bonaventura und Laeta in den frischen Putz gesetzt. Die Aufsetzung der Mosaikplatten musste nach einer festen Ordnung geschehen, der Zement durfte nicht zu hart sein. Er wurde am Tage vorher grundiert, dann frisch geputzt und darin die Mosaikplatten gesetzt. Dann kamen die vielfältigen Ausbesserungen. Sobald die Platten einen Tag festsaßen, wurden das Papier und der Klebstoff abgewaschen. Später musste der Zement abgewaschen und abgekratzt werden. Die Arbeiten waren dennoch bis zum Jahresende abgeschlossen“ (4).
Die Künstlerin Erentrud Trost, geb. am 7. März 1923, entstammt einer Paderborner Familie. Nach dem Abitur 1941 in ihrer Heimatstadt studiert sie Medizin und wurde 1944 in den Sanitätsdienst verpflichtet. Geprägt von diesen Erlebnissen tritt sie im Jahr 1946 in den Benediktinerorden ein, besucht 3 Jahre die Wertkunstschule in Münster und macht sich bald als Kirchenkünstlerin einen Namen. Gott zu danken, ist ihre Botschaft. Auferstehungsthemen sind dabei ihr besonderes Sujet, Glasfenster und Mosiken ihre bevorzugten Ausdruckformen. Im Neubau des Klosters kann ihr sogar eine eigene Mosaikwerkstatt eingerichtet werden. Bei der Ausführung ihrer künstlerischen Arbeiten legt sie selbst tatkräftig mit Hand an. Ihre erste Arbeit an der Varenseller Abteikirche ist ein Mosaikbild mit dem Lamm aus dem siebten Kapitel der Offenbarung des Johannes. Das Lamm, auf einem kreuzförmigen Hintergrund stehend, ist umgeben von weißgekleideten Gestalten, von denen es heißt, dass sie vor dem Thron und vor dem Lamm stehen und Palmenzweige in den Händen tragen. Dieses Mosaik entwickelt Modellcharakter für zahllose spätere Aufträge aus dem In- und Ausland (5), so auch für das Mosaik in St. Johannes.
Entsprechend lang ist auch die Werkliste, die Wikipedia unter ihrem Namen aufführt (6); dabei fehlt dort sogar die Arbeit in Bertlich! Ganz in der Nähe hat Erentrud Trost die Glasfenster in der Marienkirche in Marl-Lenkerbeck und ein Mosaik in der St. Marienkirche in Haltern am See geschaffen. Ihr unverwechselbarer eigener Stil lässt sich vor allem am Ausdruck der Gesichter und an den Händen der Gestalten ablesen. Die Künstlerin verstirbt am 14. April 2004 in Varensell.
Zu den Quellen:
Die Angaben zu (1) bis (5) werden in verschiedenen Sekundärquellen zitiert und sind offensichtlich entnommen aus zwei Originalquellen:
– Joseph Hülsmann:Chronik St. Johannes, o.J., (im Besitz des Verfassers);
– Pfarrgemeinderat (Hrsg.): Pfarrei Sankt Johannes Baptist, Bertlich 1978;
(6) Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Erentrud_Trost