Hertener Initiative zur Förderung von Kunst im öffentlichen Raum

„So haben wir die Kunst in unserer Stadt noch nie gesehen“

Mit diesen Worten kommentiert einer der Teilnehmer lobend die Kunst-Radtour, die der Rotary-Club Herten und die Initiative STADT.KUNST am Sonntag gemeinsam durchgeführt haben. Und es gab durchweg begeisterte Resonanz bei den über 30 Radlerinnen und Radlern, die dabei waren, eine entspannte Stadterkundung mit der Begegnung von Kunst im öffentlichen Raum zusammenzubringen und Herten vom Rad aus von einer ungewöhnlichen Seite kennenzulernen. Für die Informationen unterwegs sorgten die Kunsthistorikerin Mareike Donath sowie Gregor Spohr und Wolfgang Seidel von der Initiative STADT.KUNST.

Bei wunderbarem herbstlichem Wetter startete die Tour an der Orangerie, also quasi in der Barockzeit.

Die Tour passierte das Wasserschloss Herten und führte über mehrere Alleen vorbei am Schloss Westerholt ins Alte Dorf und damit in die Zeit des selbstbewussten Bürgertums. Deren Stellenwert machte der Marienbrunnen vor der Martinikirche deutlich: Anfang der 80er Jahre durch Spenden mitfinanziert, zeigt der von Joseph Krautwald gestaltete Brunnen ausgewählte Motive zur Geschichte des Ortes, von Westerholter Bürgern ausgewählt.

Von dort ging die Fahrt auf die „Allee des Wandels“ und damit mitten hindurch durch die 150-jährige Bergbaugeschichte der Stadt. Als Rad- und Fußwegeverbindung auf einer ehemaligen Zechenbahntrasse verläuft sie zwischen den früheren drei Förderstandorten symbolhaft für den Strukturwandel quer durch das Stadtgebiet. Die künstlerischen Lichtzeichen, geschaffen von der Berliner Künstlerin Gunda Förster, am Schacht 4 der ehemaligen Zeche Schlägel und Eisen („Weißer Riese“) verweisen wie eine Landmarke darauf.

Durch herrlich herbstliche Parklandschaft inmitten der Stadt ging es ins Backumer Tal zur „Vegetativen Säule“ des Künstlers Waldemar Wien, seit über 10 Jahren neuaufgestellt vor dem Eingang zum CopaCaBackum. Das Backumer Tal repräsentiert die Zeit, in der im Ruhrgebiet – zum Ausgleich für die industrielle Belastung Parkflächen gestaltet, Freizeit- und Erholungseinrichtungen geschaffen und großenteils gestiftete Kunst das Stadtbild bereichert. So auch die „Vegetative Säule“ als Schenkung von Erna Schweisfurth. Leider rinnt derzeit nicht das Wasser an ihr herunter, was die vom Künstler gewünschte sinnliche Wahrnehmung seines Kunstwerkes erheblich einschränkt.

Schmale grüne Pfade durch das Backumer Tal führten weiter zur Friedrichstraße mit ihrer weitgehend intakten ehemaligen Bergarbeitersiedlung und von dort über die Hamm-Osterfelder-Bahnlinie hinein in die Innenstadt. Auch der „Große Summstein“ von Hugo Kückelhaus – etwas versteckt hinter dem Glashaus – gehört zu den Kunstwerken im öffentlichen Raum, die auf die sinnliche Wahrnehmung abzielen. Mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer, vor allem die Kleinen, steckten ihren Kopf in eine der Öffnungen der Säule und lauschten der Resonanz auf ihren eigenen Summton.

Welche Schätze die Stadt aus der Stiftungszeit der Unternehmerfamilie Schweisfurth birgt, wurde am Beispiel „Glashaus“ deutlich, für das Karl-Ludwig Schweisfurth 1984 den Anstoß gab und das er mit einer Spende unterstützte. Nur durch seine Verbindungen in die Welt der Kunst war es möglich, für das Glashaus zwei bedeutende Kunstwerke von Mary Bauermeister zu erwerben. Sie gilt als Wegbereiterin der internationalen Kunstbewegung „Fluxus“ in den 50er und 60er Jahren. Die Werke „Runder Kosmos“ und „Zeit“ waren allerdings nur von außen wahrzunehmen.

Recht dicht stehen die Kunstwerke in der Innenstadt. Über „Miteinander“ auf der Hermannstraße, eine von mehreren Arbeiten des Recklinghäusers Heinrich Brockmeier in Herten, sowie die Schweine-Herde von Peter Lehmann auf dem Otto-Wels-Platz führte die Tour – die Räder nun schiebend – zum „Bodenflügel“ von Dorothee Bielfeld. Das zweiteilige Kunstwerk setzt sich mit dem Gedanken auseinander, die Stadtmitte mit dem Schlosspark zu verzahnen und ist als Teil der Innenstadtgestaltung 2005 umgesetzt worden. Vermittelt wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch, welche kontroversen Debatten die Gestaltung dieses Ortes in der Öffentlichkeit und Politik ausgelöst hat und dass Kunst immer auch mit Widerspruch rechnen muss. „Bodenflügel“ steht stellvertretend für die jüngere Stadtentwicklung, in der Kunst als ein Bestandteil von Stadtgestaltung auftritt.

Dieser Aspekt trifft auch auf die Kunstachse „Burgenland“ zu – 2010 mit Fördermitteln zum Kulturhauptstadtjahr durch den international renommierten Künstler Nils-Udo geschaffen. „Burgenland“ verbindet auf 2 km Länge Schlosspark und Landschaftspark Hoheward miteinander und ist wie ein Querschnitt durch Hertens Stadtgeschichte zu verstehen – vom Barock zum Postindustrialismus. Die 15 unterschiedlich hohen Hügel, z.T. mit symbolischen Zechenminiaturen besetzt, z.T. nur begrünt, in Gruppen und einzeln, stehen augenzwinkernd und poetisch als Metapher für diese 300 Jahre Stadtgeschichte.

Damit war das Kunstwerk auch der passende Abschluss einer Kunst-Radtour durch Stadtgeschichte und Stadtlandschaft.

Für eine immer sichere Fahrt unterwegs sorgte erfolgreich der ADFC mit seinem Frontmann Peter Brautmeier.

Ein leckerer Imbiss in der Kantine des St.-Elisabeth-Krankenhauses mit einem Austausch der Eindrücke rundete die Kunst-Radtour perfekt ab.

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